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Aktuelles

Sanktionen der G7/EU gegen Diamanten aus Russland

Fast zwei Jahre nach Kriegsbeginn in der Ukraine haben die mehrfach verhängten Sanktionen noch immer nicht die beabsichtigte Wirkung bei dem Aggressor aus Russland entfaltet. Die russische Wirtschaft wächst weiter und Putin ist politisch längst nicht geächtet und isoliert, wie es beabsichtigt war.

Die Politik steht also unter Druck, sich neue Marterwerkzeuge gegen Russland auszudenken, in der Hoffnung, dass diese nun endlich die gewünschten Ergebnisse bringen. Die Forderung nach einer Sanktion der russischen Diamanten wurde schon früh erhoben und wird jetzt nach entsprechenden Beschlüssen der G7 und der EU erfüllt.


Die Situation in Fakten

Die russischen Diamantminen in Jakutien und am Polarkreis tragen mengenmäßig mit fast 30% und rund 15 Millionen Karat pro Jahr zur weltweiten Diamantförderung bei und liegen damit bei den Förderländern auf Platz 1.

Daher wird schon seit Ausbruch des Ukraine-Krieges die Forderung erhoben, Russland mit einem Embargo für seine Diamanten zu belegen, um sicherzustellen, dass die mit dem Verkauf erzielten Erlöse von jährlich gut 4 Milliarden Euro nicht für den Kriegseinsatz zur Verfügung stehen.

Bis dato hatte sich Belgien erfolgreich gegen solche Sanktionen auf europäischer Ebene gewehrt, weil ein großer Teil der russischen Rohdiamanten bisher über das World Diamond Center in Antwerpen vermarktet wurde und erhebliche Wettbewerbsnachteile für die einheimische Diamantindustrie befürchtet wurden.

Die USA hatten gleich nach Kriegsbeginn die Rohdiamanten aus Russland mit einem Import-Bann belegt, der aber ins Leere lief, weil die Vereinigten Staaten kaum in ihrem eigenen Land solche Steine schleifen und weiterverarbeiten.

Ganz anders sieht das für die Schleifereien in Indien aus, wo heute bereits 9 von 10 Diamanten geschliffen werden, vor allem die kleineren Diamanten, die vorwiegend aus russischen Lieferungen stammen. Zum Schutz der in guten Zeiten ca. 700.000 einheimischen Schleifer und Beschäftigten wird sich Indien mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht an einem Embargo beteiligen, weil die indische Regierung keine Veranlassung sieht, sich in diesen kriegerischen Auseinandersetzungen auf die eine oder andere Seite zu schlagen. Dazu der indische Aussenminister: „This is not our war!“. So hatte sich Indien auch der Stimme bei der Verurteilung Russlands durch die UN-Vollversammlung enthalten.

Da Sanktionen auf der Seite der Förderung und Diamantverarbeitung nicht zustande kommen werden, wurde jetzt der Hebel an den Konsumentenmärkten angesetzt, um dort den Verkauf von russischen Diamanten auszuschließen. Dazu haben sich die G7 Staaten durchgerungen, zu denen die USA als wichtigster Absatzmarkt für geschliffene Diamanten zählt (Weltmarktanteil über 40%). Aber auch mit Japan, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Italien werden starke Marktteilnehmer die Tür für Diamanten aus Russland schließen. Deutschland spielt traditionell für Schmuck mit geschliffenen Diamanten (<1%) keine Rolle.

Am 14. Dezember 2023 hat sich die EU gegen die belgischen Interessen durchgesetzt und ächtet nun auch die Diamanten aus russischer Herkunft.

China als zweitgrößter Markt der Welt für Diamantschmuck wird sich keinen Sanktionen anschließen.

 

Wie soll das Embargo umgesetzt werden?

Im ersten Schritt sind von diesen Sanktionen ab Januar 2024 die Diamanten betroffen, die in Russland abgebaut und bearbeitet werden und von dort direkt in die G7-Länder und die EU exportiert werden.

Ab 1. März sind dann weitere schrittweise Beschränkungen für den Import russischer Diamanten geplant, die in Drittländern, also z.B. Indien geschliffen oder in Schmuck verarbeitet werden und danach in die Industrienationen ausgeführt werden.

Dafür wollen die G7-Staaten mit anderen betroffenen Ländern bis zum 01.09.2024 einen Kontrollmechanismus entwerfen, der eine Rückverfolgung jedes einzelnen Diamanten sicherstellen soll.

Zur Diskussion stehen zwei unterschiedliche Ansätze der Nachverfolgung:

Ähnlich wie beim sog. „Kimberley Process“, wo jeder Rohdiamant mit der Versicherung des Verkäufers versehen sein muss, dass der jeweilige Rohstein aus legalen Quellen stammt und nicht zur Finanzierung von kriegerischen Handlungen dient („Conflict Free“), soll in Zukunft auch für jeden geschliffenen Diamanten ein System von Selbstdeklarationen entstehen, dass Diamanten aus russischer Herkunft kenntlich machen und ausschließen soll.

Das präferieren nicht nur das World Diamond Council (WDC), das sich gern als supranationale Interessenvertretung der Diamantindustrie ausgibt, sondern auch der wichtigste Betreiber von Diamantminen De Beers. Hier steht und fällt dieses Konzept mit der Ehrlichkeit aller wirtschaftlich Handelnden von der Mine bis zum Endverbraucher.

Um eine größere Sicherheit bei der Nachverfolgung und damit eine bessere Wirksamkeit der Sanktionen zu gewährleisten, sieht der andere Ansatz eine Dokumentation jedes einzelnen Diamanten auf einer Blockchain vor.

Dafür sprechen sich vor allem die Verantwortlichen in Antwerpen aus, die angeblich bereits über die technischen Voraussetzungen für dieses Vorhaben verfügen. Nach deren Vorstellungen müsste dann jeder geschliffene Diamant auf der Antwerpener Blockchain registriert werden, damit im Handel jederzeit der Nachweis erbracht werden kann, dass es sich um ethisch „lupenreine“ Diamanten“ handelt.

 

Meine Einschätzung dazu:

Es ist kein Geheimnis mehr, dass die von den Putin-Gegnern verhängten Sanktionen auf den Import von Gas, Öl und anderen Rohstoffen bisher keine wesentlichen Auswirkungen auf die russische Wirtschaft und das kriegerische Verhalten von Putin gezeigt haben.

Woher kommt denn auf einmal der Diesel, den die Türkei in 2023 in großen Stil plötzlich in die EU exportiert? Nach Griechenland + 500%, Spanien + 350%, Niederlande + 300%, Italien + 200%? Sind im osmanischen Reich plötzlich große Erdölvorkommen entdeckt worden? Oder funktioniert die Freundschaft zwischen Erdogan und Putin doch besser, als wir es uns im Westen wünschen oder vorstellen wollen?

Auch wir in Deutschland sollten uns endlich ehrlich und transparent machen, über welche Umwege wir unser Gas und Öl heute beziehen und woher es in Wirklichkeit stammt.

Dass die Sanktionen nun gerade bei Diamanten erfolgreich sein sollen, lässt mich eher schmunzeln. Allein die Größe von Diamanten legt die Vermutung nahe, dass man sich trotz aller guten Absichten bei der Umsetzung eher verheben wird. Hinzu kommt, dass die Nachvollziehbarkeit der Herkunft, die schon bei Rohdiamanten schwierig genug ist, bei geschliffenen Steinen wissenschaftlich zwar grundsätzlich darstellbar ist, aber in der wirtschaftlichen Realität jeder Grundlage entbehrt. 

Wie das auf der angedachten Zeitschiene aber mit allen Interessengruppen abgestimmt und auch technisch zu realisieren sein soll, übersteigt mein Vorstellungsvermögen.

 

Was bedeutet die Sanktionen für den Diamantmarkt?

Im Hintergrund geht es bei beiden Ansätzen aber um weit mehr als um die Sanktionen gegen Russland: Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die zukünftige Macht und Kontrolle über den Diamantmarkt.

Diese lagen Jahrzehnte lang in den Händen von De Beers, die auch zu Zeiten des kalten Krieges die Diamanten aus der UDSSR vertrieben haben, bis Russland die Vermarktung seiner Bodenschätze Anfang der 1990er Jahre in Eigenregie übernommen hatte.

Seinen marktbeherrschenden Einfluss verlor „das Syndikat“, wie es in der Welt der Diamanten genannt wurde, weil Botswana als wertmäßig größter Diamantenproduzent auf mehr Eigenständigkeit bestand und gleichzeitig die neuen, großen Diamantvorkommen in Kanada von anderen Minengesellschaften verwertet wurden.

Durch die beschlossenen Sanktionen kann sich De Beers nun verlorenes Terrain zurückholen, indem es den Marktanteil der jetzt geächteten Diamanten aus Russland aus eigenen Minen z.T. auffüllen kann und so zumindest wieder die Hoheit über die Rohdiamantenpreise zurückerobern könnte.

Die flämische Diamantenmetropole in Antwerpen erhofft sich von dem Vorschlag, den Weg der Diamanten auf ihrer Blockchain-Technologie nachverfolgbar zu machen, dass ihre erodierende Bedeutung als „World Diamond Center“ aufgehalten und die Abwanderung der großen indischen Firmen aus Antwerpen an die Börse nach Dubai gestoppt werden kann. Also kämpft man darum, dass das internationale Zentrum für nachvollziehbare, also saubere Diamanten zukünftig in Belgien beheimatet sein soll.

Durch Blockchain-Technologie werden die Förderungs-, Bearbeitungs- und Handelsschritte eines jeden Diamanten in einem ausschließlich diesem Diamanten zugehörigen Datensatz zusammengefasst. Missbrauch wird dadurch verhindert, dass diese Datei jedem Teilnehmer dieser Prozesskette gleichermaßen zur Verfügung steht.

Die Diamant-Karten werden also neu gemischt mit einem noch nicht absehbaren Ausgang. Dass es am Ende mehr Transparenz über die Herkunft von Diamanten geben wird, ist aber sehr wahrscheinlich.

In jedem Fall aber wird die Einschränkung der Verfügbarkeit von Diamanten aus russischen Vorkommen zumindest zu einer Stabilisierung der Diamantpreise führen.

Übersicht übder die Produktion von Rohdiamanten in den verschiedenen Ländern, 2022

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